Trauer hat ihre Phasen und Längen, sie kommt immer wieder und immer wieder anders, was bedeutet das?
Trauer sieht immer wieder unterschiedlich aus. Am Anfang geht es oft erst einmal darum, wirklich zu begreifen, dass jemand gestorben sein soll, versteht der Kopf doch schnell, die Seele aber braucht länger. Immer wieder der Griff zum Handy, zum Telefon, der Impuls, etwas Schönes aus dem Leben mit dem*r nun Toten zu teilen, oder auch von Schwierigem, Schmerzhaften zu erzählen. Aber wenn nun der Tod dieser Person zu genau dem geworden ist, mit wem ist das nun zu teilen? Andere müssen an die Stelle treten, sind anders, es verschiebt sich etwas im eigenen Seelengefüge. Das aber braucht Zeit.
Sehnsucht begleitet Menschen oft eine gute Weile, dieses Vermissen von jemanden. Und manchmal hört das auch nie ganz auf. Wenn die gemeinsamen Morgen etwa immer so schön waren, das Frühstück, die Zeitungslektüre, das Reden über Gott und die Welt und genau das eben nun nie wieder stattfindet, manchmal bleibt die Sehnsucht lange zu Gast, bis die neue Wirklichkeit mit allen Fasern des Seins akzeptiert wird und die Erinnerung nicht mehr von Sehnsucht, sondern von Dankbarkeit begleitet ist. Diese Phase kann manchmal sehr lang sein.
Überhaupt Frieden zu finden, denn nicht alles war in der Regel gut und schön mit den nun Toten. Manches war auch schmerzhaft, anderes einschränkend und oft wird all das so richtig erst nach einem Tod klar – wenn wir es zulassen. Viele Menschen scheuen davor zurück. Ehrlichkeit wird als Verrat dem*r Toten gegenüber empfunden. Sie können sich nicht mehr wehren. Nein, das können sie nicht. Und doch dürfen wir ehrlich sein. Sicherlich nicht, um mit ihnen abzurechnen, das tut einem*r selber nicht gut, wohl aber um Missliches aufzudecken, sich in Vergebung ggf. zu üben, um dann zu verändern. Von Ayya Khema stammt der Dreiteiler: erkennen – nicht tadeln – ändern. Und das bedeutet bezogen auf andere: erkennen – vergeben – ändern.
Vielen widerstrebt das, das Wort Vergebung löst nicht selten Widerstand aus, weil viele vergeben mit vergessen gleichsetzen. Aber nein, das, was vergeben wird, wird nicht vergessen, ganz im Gegenteil, es wird als das gewürdigt, was es ist, als etwas, was schmerzhaft war, verletzt, wenn nicht gar zerstört hat und vieles mehr. Aber wenn es nicht gelingt, zu vergeben, wird dies das weitere Leben auf destruktive Weise bestimmen. Nur da, wo wir es anerkennen, dabei die Verantwortung bei dem*r lassen, die es uns zugefügt hat, ihm*r aber vergeben, um uns ohne Groll um die Auswirkungen ernsthaft kümmern zu können, werden wir Frieden in uns finden. Ansonsten bleibt unser Herz ein Kampfplatz. Wir haben da immer die Wahl.
Nicht selten beginnen Menschen sich auch in Folge um andere zu kümmern, die Ähnliches erleiden oder erlitten haben und sorgen so über sich selbst hinausgehend dafür, dass dieses spezifische Leid in der Welt eingedämmt wird. Auch das kann für die eigene Seele sich als sehr heilsam erweisen.
Und so ist es wahr, was manche sagen: Dankbarkeit und Vergebung sind Schlüssel auf dem Weg der Trauer.