In norddeutschen Großstädten sind 60 % der Trauerfeiern sogenannte „weltliche“. Eher selten werden diese von An- wie Zugehörigen selbst gestaltet. Ist die Angst doch oft groß, dabei in Tränen auszubrechen und somit unverstehbar zu werden. Meistens werden deshalb Trauerredner/innen hinzugezogen. Dabei sind die Erwartungen an diese sehr unterschiedlich: Manche wünschen nur allgemeine Worte und hoffen so, zu viel Berührtheit und ein Weinen in der Öffentlichkeit vermeiden zu können. Andere trauen Redner/innen nicht zu, authentisch vom Leben der Gestorbenen erzählen zu können, haben sie diese in der Regel doch nicht persönlich gekannt. Wieder andere setzen Erinnern mit Wissen gleich, über das sowieso alle Anwesenden verfugen. Wozu also über das Leben erzählen? Musik, Lyrik und Rituale treten dann an die Stelle von Worten. Und manchmal erscheint
der oder die Tote auch in einem dermaßen von Scheitern geprägten Licht, dass den An- wie Zugehörigen der Rahmen einer Trauerfeier für eine Auseinandersetzung damit unangemessen erscheint.
Trotz all dieser Bedenken werden häufig Trauerredner/innen angefragt. Wie also muss deren Arbeit beschaffen sein, damit sie die genannten Bedenken zerstreut?
1. Lieber konkret als allgemein …
Allgemeine Worte vermögen nicht zu verhindern, dass allein der Anblick von Sarg oder Urne Tränen in Menschen auslöst. Viele wollen die Feierlichkeit deshalb kurz halten, aber um das Berührtsein kommen sie meistens doch nicht herum. Als hilfreich erweist sich daher eher, wenn Trauerredner/innen nicht allgemein rahmen, sondern mit ihren Worten einen konkreten Raum mit tragfähigem Boden schaffen, in dem das, was ist,
sein kann und gehalten wird: Traurigkeit, Tränen und Zorn genauso wie Lachen, Humor und Erleichterung.
2. Lieber intuitiv als informativ vorgehen …
Erinnerungen haben oft einen hohen Stellenwert in Trauerreden. Dabei geht es nicht um das Wissen um eine Lebensgeschichte, sondern um die Fähigkeit, diese so zur Sprache zu bringen, dass der/die Tote innerlich gegenwärtig zu werden vermag. Aber können Redner/innen dies leisten? Vielleicht. Aus der Praxis von Supervision und Familientherapie wissen wir, dass sich Energien übertragen und „Wahrheiten“ durch Fremde zutage kommen können, die die Person gar nicht gekannt haben. Übertragen auf die Trauerrede, setzt dies eine hohe Intuition seitens der Redner/in voraus. Und auch die Bereitschaft, sich solchen Energieströmen zu öffnen und mit ihnen verantwortungsvoll umzugehen.
3. Lieber wertschätzen und verstehen als urteilen …
Manche Lebensgeschichten stellen sich als eher schwierig dar. Sollte das öffentlich werden? Im Volksmund heißt es: „Über die Toten soll man nichts
Schlechtes sagen.“ Was voraussetzt, dass die Redenden wissen, was gut und was schlecht ist. Es gibt aber auch eine andere Art des Redens: Eine die wertschätzt und zu verstehen versucht. Eine, die das Leben der Gestorbenen in den gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang stellt und von da aus interpretiert – gibt es ein Ich doch nie ohne das Du. Als Menschen leben wir immer aufeinander bezogen und gewinnen erst dadurch Identität. Interpretieren wir aber Leben auf dieser Folie, eröffnet sich ein tiefgreifendes Verständnis für die Toten und für uns selbst. Vorausgesetzt, dass die Trauerrede sich frei von moralischen Urteilen hält und stattdessen von einer tatsächlichen Wertschätzung für das geleitet ist, was die nun Toten sich in ihren Leben erhofft und versucht haben, was ihnen gelang und woran sie scheiterten. Eine so gehaltene Trauerrede birgt eine Chance in sich, die
wesentlich damit zu tun hat, dass die Redenden nicht persönlich mit den Gestorbenen involviert sind.
4. Lieber sinnvoll zusammenfügen als programmmäßig aneinanderreihen …
Eine Abschiedsfeier besteht nicht nur aus der Trauerrede: Rituale, Musik, Trauerdruck und florale Gestaltung sind ebenfalls von hoher Bedeutung. Diese verbal aufzunehmen und sinnvoll zu einem großen Ganzen zusammenzufügen, zeugt von Respekt seitens der Redner/in all denjenigen gegenüber, die sich darüber Gedanken gemacht haben.
Durch all das kann im gemeinsamen Tun ein weiter, luftiger und doch wärmender Raum entstehen, in dem Tote wie Lebende einander begegnen.
Damit dies immer öfter geschieht, möchte ich als lang jährige trostwerk-Rednerin meine Erfahrungen mit Menschen teilen, die ebenfalls als Trauerredner/innen tätig sind oder sein wollen. Gerne vermittele ich dabei mein durch die Jahre erworbenes Wissen, gewähre Einblick in meinen Erfahrungsschatz und helfe, für die Begegnung zwischen Lebenden und Toten günstige Fähigkeiten zu entwickeln und auszuweiten.
Ausbildung Trauerrede
Seit Januar 2016 bilde ich eine Gruppe von acht angehenden RednerInnen aus. Wer Genaueres über diese Ausbildung erfahren möchte, findet eine pdf zum Downloaden unter
der Rubrik Fortbildung. Wenn es gut läuft, werde ich diese Ausbildung 2017 erneut anbieten und/oder auch einzelnen Module unterrichten.